Traditionelle "Vorweide" als neuer Ansatz für mehr Artenvielfalt
Die Erhaltung gefährdeter Arten und Biotope steht im Mittelpunkt moderner Naturschutzstrategien. Besonders Flachmoore und Trockenwiesen, die Heimat vieler spezialisierter Arten, bedürfen einer angepassten Pflege. Trotz intensiver Bemühungen verschlechterte sich der Zustand vieler dieser Lebensräume in den letzten Jahrzehnten, und bedrohte Arten verzeichnen oft rückläufige Bestände.
Eine grossangelegte Studie in sechs Schweizer Kantonen und Liechtenstein untersucht nun, ob eine zusätzliche Frühjahrsnutzung – etwa durch Mahd oder Beweidung – eine positive Wirkung auf diese wertvollen Lebensräume haben kann. Die ersten Resultate sind nun im N+L Inside erschienen. Das Prinzip beruht auf einer jahrhundertealten Tradition: dem „Vorweiden“, bei dem Weidevieh bereits im Frühling den ersten Aufwuchs frass. Unterstützt vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) begannen wir im 2021 das Projekt, welches noch bis 2025 läuft.
Erste Ergebnisse: Licht und Raum für bedrohte Arten
Bereits nach der ersten Saison der Frühjahrsnutzung konnten spannende Beobachtungen gemacht werden:
- Die Vegetationshöhe wurde um durchschnittlich 25 % reduziert, was das Lichtangebot und die Temperatur in Bodennähe erhöhte.
- Arten, die auf nährstoffarme Standorte angewiesen sind, profitierten sichtbar. Gleichzeitig wurden dominante Pflanzen wie Aufrechte Trespe (Bromus erectus) und Pfeifengras (Molinia caerulea) zurückgedrängt.
- Flächen mit Frühjahrsnutzung wiesen fast doppelt so viele Blüten im Hochsommer auf, was ein wichtiger Faktor für Insekten und andere Tiere ist.
Gewinner und Verlierer unter den Arten
Die einzelnen Pflanzenarten reagierten allerdings stark unterschiedlich. Während Pflanzen wie die Sumpf-Platterbse (Lathyrus palustris) oder der Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe) profitierten, war der Effekt auf einige Orchideenarten zunächst negativ. Studien zur Insektenaktivität und Wirbellosenfauna laufen derzeit noch, um ein vollständigeres Bild zu erhalten.
Langfristige Perspektiven
Die Frühjahrsnutzung ersetzt keine konventionelle Pflege, könnte jedoch eine wertvolle Ergänzung darstellen. Ziel ist es, durch eine Kombination unterschiedlicher Bewirtschaftungsstrategien eine grössere Vielfalt an ökologischen Nischen zu schaffen und die Lebensbedingungen bedrohter Arten zu verbessern. Die Studie zeigt, wie innovative Ansätze im Zusammenspiel mit traditionellen Methoden neue Möglichkeiten für den Artenschutz eröffnen können.
Lesen Sie den ganzen Artiel hier: Begünstigt eine Vornutzung die Artenvielfalt?


