Electricity transmission
Stromübertragung – mit Sorgfalt zur neuen Trasse
Hochspannungsleitungen bilden das Rückgrat der Versorgung mit elektrischer Energie. Für die Wohnqualität und das Landschaftsbild können sie aber störend wirken. Entsprechend vielschichtig ist das Verfahren, bis eine neue Übertragungsleitung realisiert ist. Der Schutz von Mensch und Umwelt verlangt viel Sachkenntnisse und Fingerspitzengefühl
Strom als Energiequelle wird immer vielfältiger genutzt. 2021 lag der Endverbrauch von Strom um rund 11 Prozent höher als noch 2020. Bald werden auch der Individualverkehr und Gebäudeheizungen stark auf Elektrizität beruhen und viel Strom benötigen. Für den Transport von Strom über grosse Distanzen benötigt die Schweiz ein sicheres, leistungsfähiges Leitungsnetz. Es misst heute über 250 000 Kilometer. Seine Leitungen würden zusammen rund sechs Mal um die Erde reichen. Wo die aufwändigen Bauwerke für den Transport von Strom einmal stehen, prägen sie für Jahrzehnte das Landschaftsbild. Sie wirken sich auch erheblich auf die Umwelt aus. Wohn- oder Gewerbegebäude in der Nähe sind elektrischen oder magnetischen Feldern ausgesetzt. Der Ausbau von Hochspannungsleitungen kann deshalb Konflikte verursachen. In der Schweiz besteht seit rund 20 Jahren ein mehrstufiges Verfahren, mit dem neue Leitungen genehmigt werden. Es gewährleistet ein sorgfältiges, umsichtiges Vorgehen bei der Planung und beim Bau neuer Leitungsabschnitte. Nebst Sicherheit, technischer Umsetzung und Wirtschaftlichkeit müssen auch raumplanerische, landschaftliche und ökologische Belange berücksichtigt werden.
Der Sachplan Übertragungsleitungen
Nur diejenigen Stromleitungen sollen gebaut werden, die für die Landesversorgung unbedingt nötig sind. Aus- und Neubauten werden deshalb zentral durch den Bund koordiniert. Dazu dient ein sogenannter «Sachplan Übertragungsleitungen (SÜL)». Die Aufnahme eines Leitungsprojekts in diesen Sachplan bildet den ersten, grundlegenden Verfahrensschritt. Leitende Behörde ist das Bundesamt für Energie (BFE) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Raumentwicklung (ARE). Für ein Gesuch um Aufnahme in den SÜL müssen zuerst ein grobes Planungsgebiet und dann ein genauerer Korridor für die neue Leitung vorgelegt werden. Beim SÜL-Verfahren spielt die Begleitgruppe eine wichtige Rolle. Diese besteht aus diversen Vertreter:innen von Bund, Kantonen, Umweltschutzorganisationen und der Swissgrid als Gesuchstellerin. Die Begleitgruppe bewertet die eingereichten Pläne und macht eine Empfehlung an den Bundesrat. Direkt Betroffene werden ebenfalls angehört und können zum Vorhaben Stellung nehmen. Auf diesen Grundlagen setzt letztlich der Bundesrat das Planungsgebiet, den Korridor und die Technologie (Erdkabel oder Freileitung) für die zukünftige Leitung im SÜL fest.
Neue Leitung durch empfindliches Gebiet
In den vergangenen drei Jahren haben wir von der Hintermann & Weber AG zusammen mit Bouygues E&S EnerTrans AG das SÜL-Verfahren für eine neue 220-Kilovolt-Leitung zwischen Flumenthal (SO) und Froloo bei Reinach (BL) unterstützt. Vor allem die Variantenvorschläge für den Korridor, in dem später die Leitung gebaut werden soll, erwiesen sich aufgrund der Rahmenbedingungen als schwierig. Zwischen den beiden Knotenpunkten Flumenthal und Froloo sind mehrere Jura-Gebirgszüge zu überwinden. Das Gebiet ist einerseits ländlich geprägt und weist viele Naturwerte und Schutzgebiete auf, die unberührt bleiben sollen. Andererseits bestand auch die Vorgabe, Siedlungsgebiete und die vielen Einzelhöfe aus dem Leitungskorridor auszuschliessen. Und als lokale Besonderheit war da noch der Segelflug-Flugplatz in Dittingen, dessen Flugbetrieb es zu berücksichtigen galt. Letztlich gelang es, drei verschiedene, konsensfähige Korridore zu eruieren und der Begleitgruppe zu unterbreiten. Die Begleitgruppe wird nun diese Vorschläge nach einem festgelegten Schema beurteilen und dem Bundesrat ihre Empfehlungen abgeben. Die bestehende 145-Kilovolt-Leitung, welche heute teilweise durch stark besiedeltes Gebiet verläuft, wird nach Inbetriebnahme der neuen 220-Kilovolt-Leitung komplett zurückgebaut.
Vom Sachplan zum Bauprojekt
Einmal in den SÜL aufgenommen, wird die exakte Linienführung (Trassierung) einer Leitung in einem Plangenehmigungsverfahren (Bauprojekt) erarbeitet. Umweltaspekte sind auch hier von zentraler Bedeutung. In dieser Planungsphase befindet sich ein Leitungsprojekt am Lauerzersee (SZ), an dem wir mitarbeiten. Rund 3.5 km Leitung müssen verlegt werden, weil sie durch ein zunehmend unruhiges Rutschgebiet führt. In einer ersten Phase beraten wir die Leitungsplaner, um geeignete Standorte für die künftigen Masten zu finden. Grundwasserschutzzonen, Naturschutzgebiete und Wald waren als Maststandorte zu meiden. Die Beschaffenheit der Böden, der Zustand der natürlichen Lebensräume und die Flora und Fauna wurden vor Ort beurteilt. Bei erheblichen Beeinträchtigungen von Naturwerten erarbeiten wir Vorschläge, wie diese kompensiert werden können und sprechen sie mit den kantonalen Behörden ab. Beim Projekt am Lauerzersee beschäftigen uns vor allem unvermeidbare Maststandorte im Wald und in Landschaftsschutzgebieten.
Umweltbaubegleitung
Schäden an Umwelt und Natur zu vermeiden, bleibt auch nach der Genehmigung eines Leitungsbauprojekts eine zentrale Aufgabe. Wir übernehmen sie, indem wir die Bauarbeiten begleiten und vor Ort präsent sind. Idealerweise können wir bereits bei den Leistungsbeschrieben für die Bauunternehmungen dafür sorgen, dass an Umweltbelange frühzeitig gedacht wird und entsprechende Massnahmen von den Unternehmungen mit offeriert werden. Im Lauf der Bauarbeiten achten wir dann darauf, dass Umweltvorgaben eingehalten und die vereinbarten Kompensationsmassnahmen tatsächlich realisiert werden. Je nach Projekt liegen die Schwerpunkte der Umweltbaubegleitung anders.
Beim Bau einer 132-kV-Übertragungsleitung der SBB zwischen Aesch und Delémont beispielsweise stand der Grundwasserschutz im Mittelpunkt. Viele Fundamente der rund 170 neuen Masten mussten sehr nahe am Grundwasser gebaut werden oder befanden sich gar in einer Grundwasserschutzzone. Mit einer Reihe von Massnahmen galt es auszuschliessen, dass Schadstoffe ins Grundwasser gelangen können. Dieses Schutz- und Alarmierungsdispositiv musste in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern der Trinkwasserpumpwerke und der kantonalen Fachstelle erarbeitet und umgesetzt werden.
In einem anderen Projektbeispiel wurden im Urner Talboden zwei Leitungen zwischen Attinghausen und Altdorf auf einer neuen, gemeinsamen Trasse entlang der Autobahn gebündelt. Als grösste Herausforderung für die Baubegleitung erwiesen sich in diesem Fall die Böden, die nach dem Rückbau der alten Trassen wiederherzustellen waren. In zeitintensiven Abklärungen mussten Schadstoffgehalte ermittelt, kontaminierte Böden entsorgt und grosse Mengen sauberes Bodenmaterial beschafft werden. Fruchtbare Böden und zufriedene Landwirte waren unser Ziel. Nicht zuletzt dank offenen Ohren und guter Kommunikation scheint uns dies gelungen zu sein.