Forschungspreis 2004 Wahrnehmung und Wertschätzung pflanzlicher Artenvielfalt durch die Bevölkerung
Die Biologin hat in ihrer Diplomarbeit die Wahrnehmung und Wertschätzung pflanzlicher Biodiversität durch die Bevölkerung untersucht. Sie hat festgestellt, dass Menschen artenreichere von artenärmerer Vegetation grundsätzlich unterscheiden können und dass hoher Artenreichtum auch von Laien positiv bewertet wird.
Sie hat aber auch aufgezeigt, dass in der Bevölkerung beträchtliche Wahrnehmungsschwächen hinsichtlich Artenvielfalt bestehen. Die Untersuchung zeichnet sich durch eine präzise Fragestellung, ein sauberes experimentelles Design und eine intelligente Befragung von Testpersonen aus.
Die Arbeit ist ein wertvoller Beitrag zur politischen Argumentation im Naturschutz. Bisher war kaum bekannt, inwiefern Menschen in der Lage sind, artenreiche Lebensräume zu erkennen. Es konnte auch noch nicht sauber belegt werden, was viele schon geahnt hatten: dass biologische Vielfalt ästhetisch höher gewertet wird. Die prämierte Arbeit ist relevant für den Naturschutz, denn sie liefert gesicherte Erkenntnisse.
Zusammenfassung der Arbeit
Der gegenwärtige Verlust von Artenvielfalt stellt eine grosse Bedrohung für viele Ökosysteme dar. Biologische Vielfalt hat eine funktionelle Bedeutung für Ökosysteme und beeinflusst Ökosystemprozesse. Deshalb werden artenreiche Lebensräume als besonders wertvoll und schützenswert angesehen. Es gibt aber kaum Hinweise darauf, ob Artenreichtum von der Bevölkerung überhaupt wahrgenommen und geschätzt wird.
In meiner Diplomarbeit ging ich deshalb folgenden Fragen nach: Können Menschen pflanzliche Artenvielfalt als solche erkennen? Können sie artenreichere von artenärmeren Pflanzengemeinschaften unterscheiden? Schätzen sie pflanzlichen Artenreichtum, empfinden sie ihn als schön?
Um die Wahrnehmung und Wertschätzung pflanzlicher Vielfalt durch die Bevölkerung zu klären, habe ich zwei sich ergänzende Untersuchungen durchgeführt. In der ersten Untersuchung präsentierte ich 423 zufällig ausgewählten Besucherinnen und Besuchern des Botanischen Gartens Zürich experimentell zusammengestellte Wiesen unterschiedlicher Diversität. In der zweiten Untersuchung markierte ich unterschiedlich artenreiche Flächen in Säumen des Kantons Zürich und präsentierte sie 217 vorbeikommenden Passantinnen und Passanten.
Die Teilnehmenden wurden mithilfe eines Fragebogens gebeten, zu schätzen, wieviele verschiedene Pflanzenarten sich jeweils in den präsentierten Pflanzengemeinschaften (kleine Wiesen oder Saumflächen) befinden, und anzugeben, wie gut ihnen die Pflanzengemeinschaften gefallen.
Die Ergebnisse meiner Untersuchung zeigen, dass Menschen artenreichere von artenärmeren Pflanzengemeinschaften grundsätzlich unterscheiden können. Artenreichere Pflanzengemeinschaften wurden jedoch in ihrem tatsächlichen Artenreichtum stark unterschätzt, wohingegen artenärmere Gemeinschaften in ihrer Artenzahl stark überschätzt wurden. Je besser die Pflanzenkenntnisse einer Person waren, desto besser schätzte sie die Anzahl Arten in den präsentierten Wiesen und Saumparzellen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass Menschen artenreiche Pflanzengemeinschaften besonders schätzen und als schön empfinden. Je artenreicher eine Pflanzengemeinschaft war, desto besser gefiel sie den Testpersonen. Die häufigste Begründung für die positive Bewertung einer Wiese oder Saumparzelle war ihre Vielfalt.
Diese damit geäusserte Wertschätzung an biologischer Vielfalt ist erfreulich, da ein nachhaltiger Schutz biologischer Vielfalt nur dann möglich ist, wenn er auf eine breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit stösst. Positive Einstellungen zur Artenvielfalt reichen aber alleine nicht aus, um diese zu schützen. Wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, nehmen Menschen pflanzlichen Artenreichtum nur unzureichend wahr – graduelle Unterschiede fallen ihnen nicht auf. Dies führt möglicherweise dazu, dass sie den schleichenden Verlust an pflanzlicher Vielfalt nicht erkennen. Eine Schulung der Pflanzenkenntnisse könnte zu einer verbesserten Wahrnehmung von Arten und ihrer Vielfalt führen und einen Beitrag zum Erhalt biologischer Vielfalt leisten.